Ritterkram
Mit Fertigstellung des Sekretärs blieb der eine oder andere Materialrest übrig, wie das bei einem Projekt dieser Größenordnung wohl kaum zu vermeiden ist. Im Wesentlichen waren das hier das Leder für den Bezug der Arbeitsoberfläche und die großen Mengen an Kiefernsperrholz für die Verkleidungen.
Was kann man daraus machen?
Die Idee zu einer Ritterausrüstung für unsere Söhne kam einem Freund und mir durch eine Messerscheide, die ich mal aus einem Lederrest gebastelt hatte. Eine ganz kleine Sache nur und daher hier auch nicht festgehalten, aber letztlich der Anstoß zu der Überlegung, aus Leder, Nieten, Ösen und Sperrholz ein stabiles Set für die ritterspielsüchtigen Jungs zu basteln.
Diese Jungs sind zum Zeitpunkt des Projekts 5 und 7 Jahre alt und vollends begeistert von jeder Art Plastikschwert, wie es sie auf dem Rummel oder im Laden gibt. Nur sind diese Plastikteile meist der letzte Müll, häufig sind sie bereits nach einigen Tagen hinüber. Das Ergebnis sollte daher schon etwas dauerhafter ausfallen.
Das Set besteht aus je einem Kurzschwert mit Scheide, einem Langschwert mit Schlaufe (beides jeweils mit Gürtelschlaufe) und einem Schild mit Armstütze und Griff. Die Schilde zeigen das Monogramm von Ritter Marvin und Ritter Dennis und alle Teile sind in etwa ins Verhältnis zur Körpergröße eines 6jährigen gesetzt.
Primäres Werkzeug zur Herstellung war die CNC-Fräse. Dazu braucht es zunächst eine Zeichnung der Stücke, die hier rechts zu sehen ist. Die Schwerter bestehen aus aufgedoppeltem 6mm Sperrholz, sind also im Ergebnis 12mm dick. Die Schilde sind einfach gefertigt und damit 6mm dick. Die Einfräsung der Buchstaben erfolgt in 2mm Tiefe. Wie man erkennt, beinhaltet die Zeichnung 12 Kurzschwertstücke, viel mehr also als die benötigten 4. Damit ist auch für die nahe Zukunft für Ersatz gesorgt, weiter verarbeitet werden aber erstmal nur die benötigten Komponenten für je eine Ausrüstung.
Hier nun erstmal der wohl notwendige Einwurf zum Thema Kriegsspielzeug: Ja, die Stücke sind massiv und man kann sich damit sehr weh tun. Natürlich haben sie weder scharfe Schneiden noch Spitzen, aber mit 12mm Sperrholz kann man sich dennoch übel verletzen. Die Anwendung ist daher mit einer gründlichen Einführung über die "do's" und "don't's" beim Umgang mit diesen Sachen verbunden. Klappt das nicht, werden sie wieder eingezogen. Kleine Jungs spielen Ritterspiele, das war wohl immer so. Wenn sie keine entsprechende Ausrüstung haben, werden sie sich selbst eine suchen und Stöcke oder andere Dinge benutzen. Der Effekt ist dann der gleiche. Verhindern kann man das Spiel also nicht - wollen wir auch gar nicht, denn wir erinnern uns gut an den Spaß, den wir selbst damit hatten. Sehr wohl kann man es aber spannender und realistischer machen und diesem Zweck dient das Projekt.
Zunächst mal wurde also gefräst. Das ging mit nicht zu starkem Vorschub in einem Schritt recht gut und im Ergebnis lagen alle Teile sauber ausgeschnitten vor. Die Verschnittreste kamen in den Kamin, die Ersatzteile in den Schrank und die übrigen Teile wurden zunächst sauber geschliffen.
Der nächste Schritt ist das Verbinden der beiden Teile, die jeweils ein Schwert bilden. Sie werden vollflächig verleimt, wobei vor allem an den Ecken (Endstücke des Handschutzes, Spitze, Griff) Druck nötig ist. Wir haben ringsum Federzwingen angebracht, die den notwendigen Druck erzeugen. Wichtig ist bei diesem Schritt, dass die beiden Hälften genau aufeinander liegen und auch unter der Druck der Zwingen nicht auf dem Leim auseinander rutschen. Ist der Leim erstmal getrocknet, ist keine Korrektur mehr möglich. Nach dem Trocknen des Leims wird die seitliche Kante von Spänen befreit und geglättet, damit eine saubere Führung für den folgenden Schritt entsteht.
Dieser folgende Schritt ist das Anfasen der Kante. Das erfolgt auf beiden Seiten und rings um die gesamte Außenkante mit einem Fasefräser mit Anlaufring. Dadurch ergibt sich eine gerundete Optik, die gerade in Verbindung mit der Verwendung von mehrschichtigem Sperrholz sehr gut aussieht. Ist das erfolgt, wird nochmal geschliffen, diesmal feiner und auch auf der Oberfläche. Das ist bereits alles, es fehlt nur noch der Anstrich.
Die Schilde sind in puncto Holzbearbeitung noch einfacher, denn sie kommen bereits weitgehend fertig aus der Fräse. Ergänzt werden sie um aufgedoppelt aufgeleimte Stücke auf der Rückseite, auf die wiederum jeweils ein Stück Leder geschraubt wurde. Dieses Stück Leder bildet einmal eine Stütze (im Bild das untere Lederstück), hier wird der Arm hindurch gesteckt. Ein weiteres Stück Leder bildet den Griff. Beide Teile berücksichtigen in der Anbringung, dass die typische Armhaltung nicht waagerecht ist, so dass der Schild bei leicht gesenktem Arm senkrecht gehalten werden kann. Mit der Fertigung des Griffes begann das interessante Thema "Nieten".
Erstmals habe ich in diesem Projekt Blindnieten und Ösen verarbeitet. Entsprechende Zangen (Nietzange, Lochzange, Ösenzange) hatte ich mal im Lowcost-Segment beschafft, sie sollten nur als Testobjekte dienen. Dafür waren sie gut genug und ich denke nun über die Beschaffung besseren Werkzeugs für diesen Zweck nach. Eine Auswahl an Nieten und Ösen habe ich zu sehr günstigen Preisen bei ebay ergattert, so dass es nun alles zur Verfügung stand. Mit der Lochzange wird ein Loch passender Größe in das Leder gestanzt, durch das der Nietenkopf passen muss. Nun wird am Schaft der Niete die Nietenzange angesetzt. Die Zange zieht mit viel Kraft am Schaft der Niete und treibt damit die verdickte Spitze des Schaftes durch den Nietenkopf, der sich dabei aufwölbt und die beiden Werkstücke von der Rückseite her verbindet. Von der Vorderseite her erledigt diesen Job ein Kragen, der den Nietenkopf bereits von Anfang an schmückt. Im Ergebnis sind beide Teile sehr fest miteinander verbunden - wenn der Werkstoff nicht flexibel ist, ist die Verbindung ohne Werkzeug nicht mehr zu lösen. Selbst bei Leder braucht es aber erheblichen Kraftaufwand, um eine genietete Verbindung wieder aufzureißen.
Für die Griffe der Schilde wurde ein Lederstreifen so aufgerollt, dass drei Schichten übereinander liegen. Diese Schichten wurden zusammen gestanzt und mit 5 Nieten verbunden. Damit ist der Griff steif und dick genug, dass man ihn gut packen kann.
Erheblich aufwändiger als das war die Fertigung der Scheiden für die Kurzschwerter. Sie bestehen aus einem kürzeren vorderen und einem längeren hinteren Lederstück, die ringsum vernietet sind. Vor dem Nieten sollte die Vorderseite aber noch ein Zierelement aus Ösen erhalten. Dazu wurden Punkte in Form einer Raute aufgezeichnet und ausgestanzt. Die Ösenzange hat dann dort Ösen unterschiedlicher Farbe fixiert. Das anschließende Vernieten der beiden Stücke erfolgte mit großen Nieten mit 6mm Kopfdurchmesser, was vor allem der Optik dient. Diese Nieten haben einen recht dicken Schaft, vergleichbar mit einem stattlichen Nagel, der mit Muskelschmalz durchtrennt werden muss. Bei über 30 Nieten pro Stück keine Sache, die viel Freude macht.
Nachdem alle Nieten eingebracht waren, erhielt jede einen gesunden Schlag mit dem Vorschlaghammer auf die Rückseite. Die wird damit abgeflacht und steht nicht mehr, wie zuvor, gewölbt hervor. Zuletzt wurde das nach oben überstehende Stück der hinteren Lederstückes umgeklappt und mit kleineren Nieten befestigt, sodass sich eine Gürtelschlaufe ergibt. Zuletzt werden die leichten seitlichen Überstände der beiden Teile abgeschnitten, wodurch eine einheitliche Kante entsteht.
Nachdem diese Arbeit glücklich und zweimal überstanden war, wurde der ursprüngliche Plan der Fertigung von vollflächigen Scheiden für die Langschwerter verworfen. Die Bilder oben zeigen das Größenverhältnis, das Langschwert ist mehr als einen Meter lang. Dafür wäre 80 und mehr Nieten pro Stück notwendig gewesen - das haben wir uns erspart. Stattdessen haben wir uns für eine einfache Schlaufe entschieden, die das Schwert an der Hüfte hält. Es darf dabei nicht senkrecht nach unten zeigen, weil es sonst auf dem Boden schleift, denn das Schwert ist zwar lang, die Ritter aber sind kurz. Und es muss bei dem somit entstehenden Winkel berücksichtigen, dass der eine Ritter Rechtshänder, der andere aber Linkshänder ist. Beide müssen aber das Schwert auf der Seite aus der Schlaufe ziehen können, auf der sie den Schild tragen.
Für die entsprechende Schlaufe wurden drei Stücke benötigt, von denen zwei die Gürtelschlaufe bilden und das dritte als Rolle geformt das Schwert aufnimmt. Hier wurden kleinere Nietendurchmesser verwendet, die sich sehr viel leichter durchkneifen lassen und daher schneller und einfacher zu verarbeiten sind. Die Nieten sitzen sehr eng beieinander und bilden eine Reihe, die auch eher der Optik als der Stabilität dient, denn für letzteres hätte die Hälfte satt ausgereicht. So aber ist die Gürtelschlaufe nicht nur stabil, sondern sieht in der Kombination von Leder und Metall auch richtig mittelalterlich aus.
Hier noch ein paar weitere Bilder von Zwischenständen der Bearbeitung:
Ritter Marvin und Ritter Dennis werden ihre Ausrüstung unterm Weihnachtsbaum finden - bei der Gelegenheit kommt es mir gerade so vor, als hätte ich kürzlich erst die Baumsterne aus dem letzten Jahr vorgestellt. Seufz, schon wieder ein Jahr rum, hiermit also allen Heim- und Hobbybastlern ein frohes Weihnachtsfest 2006.