Wunschtaler
Neulich
im Kinderspielzeugkatalog. Da hat jemand die Idee, eine Familienwährung
einzuführen und entwirft Aufkleber mit der Aufschrift "Fernsehtaler", "Naschtaler",
"Computertaler" und "Wunschtaler". Diese Aufkleber werden auf Plastikscheiben
mit 5cm Durchmesser geklebt und im Zehnerpack verkauft. Kauft man die vier
Sets mit je 10 Talern und gleich noch die passende "Spardose" dazu, kostet
das (Gurt prüfen) fast achtunddreißig Euro. Respekt! Dafür gibt's auch schon
nen gebrauchten Farbdrucker, ein Paket selbstklebendes Papier und ein paar
Kunststoffplatten aus dem Baumarkt.
Anyway, die Idee dahinter ist nun, diese Taler als eine Art Taschengeld an Kinder zu verteilen, sodass die Kinder sie selbständig und je nach Aufschrift gegen Fernsehzeit, Süßkram etc. eintauschen können. Der Wechselkurs bleibt noch im Ermessen der Eltern, man trägt ja schließlich Verantwortung.
Wenn man mal von Material und Preis absieht, hat die Idee was für sich
und ist durchaus ein kleines Fräsprojekt wert. Der Einsatz muss sich ja
nicht nur auf die Kinder beschränken. Ich denke auch an Gefälligkeiten unter
Kumpels, die sich so darstellen, dass der Kumpel hilft, die neue Couch ins
Haus zu tragen und dafür am nächsten Tag fragt, ob man ihm "mal eben" einen
neuen Rechner baut. Oder der Herr Sohn mag seine Playmobil-Ritterburg umgestalten
(2 Stunden Maloche) und bietet dafür freundlich an, ein Bier aus dem Keller
zu holen. Diese Dinge
schreien
nach Verhältnismäßigkeit, jawohl! Der pädagogische Aspekt des "Erarbeitens"
von Gefälligkeiten ist auch nicht zu verachten, ein bisschen Motivation
zur Mithilfe schadet den Kids sicher nicht. Sagen "erfahrene Eltern" laut
Katalog auch. Siehste!
Meine Variation der Taler trennt sich von den verschiedenen Typen und
erhält lediglich den Wunschtaler, der alle Anwendungen abdeckt. Dafür unterscheidet sie nach Zeit, denn darum geht's
ja meistens. Außerdem fallen sie eine Nummer größer aus und kommen mit 8
statt 5 cm Durchmesser daher. Die Zeichnung verwendet gleich die eben fertig
gewordene Einlinienschrift und sieht am Beispiel
des Halbstundentalers so wie hier rechts aus. Die große Zahl hat nach innen
gerichtete Konturen in einem Abstand, der dem Durchmesser der verwendeten
Fräsers entspricht, hier 2mm. Das bewirkt, dass die Fläche komplett ausgefräst
wird. Der umlaufende Rand hat eine andere Farbe, die für eine andere Frästiefe
steht, denn das 6mm Material wird hier durchgefräst. Diese Taler gibt's
nun also als Version für 10, 30, 60 und 100 Minuten. Kosten liegen übrigens 38 Euro unter dem Original,
denn wie schon der Akkuspender zeigt, bin ich noch
dabei,
die Reste der 6mm-Sperrholzplatten aus dem Sekretär-Projekt
zu verbraten.
Ich war gespannt, wie sich die neuen Taler bewähren würden. Entscheidend
dafür ist natürlich, wofür sie eigentlich gut sind. Bei uns war das Fernsehzeit.
Da entwickelt ja jeder irgendwie seine Methode, um das zu begrenzen und
unsere war eben, dass so viele Taler zu zahlen sind, wie Minuten ferngesehen
wird. Und siehe da, auf einmal hieß es nicht mehr bei absolut jeder Sendung
"Oooooooch, das möchte ich unbedingt sehen!", sondern man studierte kritisch
gemeinsam die Fernsehzeitung und wägte sorgfältig ab, was denn gut genug
ist, um das Abgeben der hart verdienten Taler zu rechtfertigen. Und auch
der Streit ums Programm war Vergangenheit - es ist schließlich viel besser,
beim gemeinsamen Gucken auch die Kosten zu teilen. Um die Taler zu ergattern,
musste geholfen werden - da zählten dann großzügig aber auch die kleinsten
Zuarbeiten und es gab ein 1:2 Verhältnis der gearbeiteten Minuten zu den
erwirtschafteten Talern. Bereits in der Herstellungsphase gingen die ersten
Hilfsangebote ein wie "Darf ich mal deine Werkstatt fegen?" Mit Einführung
war der Besitz eines Wunschtalers eine begehrte Sache. Um das noch weiter
zu pushen, habe ich noch eine kleine Kiste hinzugefügt, die aus stumpf verleimten
6mm Sperrholzstückchen mit eingefrästen Verzierungen besteht. Das sind nun
die Taler drin, insgesamt 32 an der Zahl (16*10, 8*30, 4*60 und 4*100).
Sie fanden tatsächlich jahrelang reißenden Absatz und haben alle Eigenschaften
von Taschengeld ausgeprägt - das heißt, sie wurden angespart, aber auch
verprasst, zielgerichtet eingesetzt oder auch einfach erstmal weggelegt.
Jederzeit wurde sorgfältig darauf Acht gegeben und immer wussten die Kinder,
was das aktuelle Guthaben ist. Die Wunschtaler hatten ihre begrenzte Zeit,
aber in der waren sie ein Knüller. Und weil sie etwas gebraucht eher
noch besser aussehen und außerdem weder bleichen noch sonstwie altern,
warten sie nun in aller Geduld auf Enkel...