Strandkorb
Wenn
ein Friese einen Strandkorb verschenkt, dann ist klar, wie der beschaffen
ist - der Strandkorb, nicht der Friese. Will sagen, ein Stück im Neuwert
von über 1000 Euro gibt man nicht einfach ab, wenn es nicht völlig, aber
auch absolut total hinüber ist. Das beschreibt am besten, wie dieser Strandkorb
aussah, bevor wir ihn bearbeitet haben.
Strandkörbe sind mehr als jedes andere Möbel gegen Witterungseinflüsse
geschützt - sie stehen nicht nur feucht, sind ständig dem Regen- und Gischtwasser
ausgesetzt, sondern müssen darüber hinaus auch dem Salz standhalten. Dieses
Stück hatte drei Jahrzehnte Nordsee hinter sich - der ursprüngliche Bezug
mit schrecklichen Fotomotiven von Fischen und anderen Seetieren belegte
die 70er
als ungefähren
Herstellungszeitraum. Ursprünglich war das Kunststoffnetz aus blauem Band
mit gelbem und rotem Gestänge - ein echter Hin- und schnell wieder Weggucker.
Einen der Fische habe ich mir ausgeschnitten und als Erinnerung an dieses
Projekt an die Werkstattwand gepinnt.
Aber auch aller Schutz ist irgendwann durch und dann geht der Verfall schnell voran. Der Bezug bestand nur noch aus Fetzen, Holzsegmente vor allem im Sockel fehlten entweder bereits oder konnten mit der Hand zerbröselt werden. Nach altem rheinischen Motto "für lau: jau" hat mein Nachbar das Ding dennoch auf den Hänger und an den Niederrhein geschafft. Da stand dann mal eine echte Herausforderung an, die wir zusammen angegangen sind.
Das
Bild rechts vermittelt einen Eindruck vom ursprünglichen Zustand. Die Boden-
und Rückenlatten sind dabei bereits ersetzt, denn die fehlten völlig. Ferner
konnte das Gerüst mangels Steifigkeit in jede Richtung beliebig verbogen
werden, sämtliche Schrauben konnten mit der Hand durchgebrochen werden und
ließen sich oft gar nicht erst aus den Löchern herausdrehen, sondern brachen
vorher ab. Die Armauflagen im Innenteil waren halb ab und ganz zerfressen
- nur das Gestänge mit dem Kunststoffnetz war erstaunlich intakt, denn es
besteht aus Bambus, der offenbar sehr widerstandsfähig ist.
Zunächst mal haben wir das Ding zerlegt. Das ist jedoch nur sehr begrenzt möglich, denn der Korpus kann nur mit roher Gewalt auseinander gebracht werden und der Aufsatz ist durch das Geflecht verbunden - ist das einmal ab, kriegt man es so schnell nicht wieder dran. Aber immerhin ließen sich der Oberkorb, die Schubladen für die Beinauflage, der Sitz und der Boden abtrennen, wodurch man gut an den Rest herankam.
Der nächste
Schritt bestand in der kompletten aber sorgfältigen Entfernung des gesamten
Bezugsstoffes. Sorgfältig deshalb, weil seine Formen erhalten bleiben sollten,
denn wir brauchten ja Schnittmuster für die neuen Bezüge. Die bestehen übrigens
aus billigstem Tischdeckenmaterial aus einem Restpostenmarkt - keine 2 Euro
der Quadratmeter. Anfragen im Garten- und Bootsbedarf nach solchen Stoffen
brachten Preise um das zwanzigfache hervor. Diese Stoffe sind sicher robuster,
aber das brauchte es hier nicht. Das Teil hat jetzt hauptsächlich Dekocharakter
und wird nur noch sporadisch zum Sitzen verwendet - kein Vergleich mit der
früheren Beanspruchung.
Nun wurden alle Teile mit selbstklebenden Schaumstoffmatten bedeckt. Das gab zusätzlichen Halt im Innenraum und sorgte für gepolsterte Flächen. Auf Sitzbank und Beinablage haben wir das Material doppelt verlegt. Dann wurde neu bezogen und von der nicht sichtbaren Seite getackert.
Die
drei Fußleisten auf dem Bild sind neu, die alten waren total hinüber. Dazu
haben wir drei dünne Latten mit Halbrundprofilen versehen und aufgeschraubt.
Das Bild zeigt außerdem die etwas hellere Farbe der Auszüge. Die Ursache
dafür liegt darin, dass die ursprünglichen Oberflächen tiefe Risse und Löcher
aufwiesen, die eigentlich zum kompletten Austausch führen mussten. Leider
war der Auszug nicht demontierbar, wir haben daher die Löcher zugespachtelt
und ein Sperrholzstück drübergeklebt und ringsum sowie im Griff mit dem
Bündigfräser angepasst. Die Auszüge selbst erhielten die gleiche Polsterung
mit Schaumstoffmatten und den gleichen Deckbezug.
Das größte
Problem war die Verkleidung des Innenraumes. Es war nicht mehr erkennbar,
wie der alte Bezug dort einmal festgemacht war, denn er fehlte fast völlig.
Es blieb daher nichts anderes übrig, als eine breite Bahn des Bezugstoffes
Schritt für Schritt zu verlegen und immer dort mit einer angeschraubten
Leiste zu fixieren, wo der Oberkorb eine stabilisierende Querlattung aufweist.
In der stecken die Schrauben. Die Leisten und überhaupt alles Holz erhielt
einen Teak-Außenlasuranstrich, bevor es verbaut wurde. Das musste vor dem
Einbau erfolgen, weil es sonst leicht den hellen Bezug verdorben hätte.
Jedes kleine Schräubchen barg die Gefahr des Abrutschens mit dem Akkuschrauber,
was sofort zu einem Loch im Bezug führt - das ist mir zum Glück nur einmal
passiert und an der Stelle konnten wir es kaschieren. Der fertige Innenraum
erhielt zwei neue Armauflagen aus Bucheresten eines Lattenrostes. Diese
Buchenstreifen tauchen nun schon in mindestens 5 Projekten auf und sind
immer noch nicht alle. Es lohnt sich, aus Lattenrosten vom Sperrmüll die
wertvollen Hartholzteile auszubauen - die sind wirklich für alles zu gebrauchen.
Alle
verbliebenen Holzstücke wurden beigeschliffen und neu gestrichen - die Farbschichten
vieler Jahrzehnte kamen dabei millimeterdick herunter, manchmal konnte man
sie wie einen Aufkleber abziehen. Zu guter Letzt erhielt das Stück einen
neuen Anstrich - dunkelgrün und damit im Farbton der Terrassenmöbel unserer
Nachbarn - aus dem gleichen Grund übrigens auch der gelbe Bezug.
Der Strandkorb
hat volle 6 Dosen Sprühfarbe gefressen, bis er grün genug war. Durch reges
hin- und hertragen sowie durch Temperaturschwankungen verschiebt sich das
Geflecht immer mal wieder und die unteren Schichten schimmern im ursprünglichen
Farbton durch, das Detailfoto zeigt das ganz gut. Dem wird mit einer weiteren
Dose pro Saison Rechnung getragen - irgendwann wird er ganz grün sein.
Heute ist der Strandkorb jedenfalls ein Hingucker in der Siedlung - mein Nachbar wird oft gefragt, wo er den denn her hat. Darf er aber nicht sagen, ich will ja nun nicht die nächsten 20 Wracks in der Werkstatt stehen haben. Jedenfalls ist im Ergebnis ein tolles Einzelstück erstanden, das heute sicher wieder den normalen Einkaufspreis eines Strandkorbes wert ist - für eine Investition in ein paar Quadratmeter Billigstoff und ein paar Dosen Farbe und Sprühkleber.